Adam Broomberg & Oliver Chanarin

Don’t Start With The Good Old Things But The Bad New Ones
30. Sep 2016 – 4. Dez 2016
Samuel 1&2, a.d.S./ from the series Divine Violence, 2013 © Broomberg & Chanarin
© David von Becker
© David von Becker
© David von Becker
Adam Broomberg © David von Becker
© David von Becker
© David von Becker
© David von Becker

> Künstlergespräch mit Adam Broomberg am 23.11.16

Krieg, Gewalt, Terror, Mord und Genozid – durch die Menschheitsgeschichte zieht sich eine blutige Spur der Brutalität. Das Narrativ des Konflikts ist tief in unserem kollektiven wie individuellen Bewusstsein verankert, und seit ihrer Erfindung zieht es die Fotografie an die Orte menschlichen Leids und Unglücks. Die Künstler Adam Broomberg & Oliver Chanarin haben zwei höchst einflussreiche Bücher – Bertolt Brechts Kriegsfibel sowie die King James Bibel – zweckentfremdet und nutzen sie zu einer Auseinandersetzung mit der medialen Dokumentation, Veröffentlichung und Verbreitung solcher Bilder. Dabei stellen sie Textstellen, die von konkreten Gewalttaten handeln, Bildern von oftmals schockierender Brutalität oder Zärtlichkeit gegenüber. Die sowohl im Internet als auch im Archive of Modern Conflict gefundenen Bilder dienen dazu, einen allzu leichten Konsum von Text und Bild zu verhindern. Auf diese Weise hinterfragt das Künstlerduo unsere Sehgewohnheiten und zwingt uns, zu kritischen Betrachtern zu werden, die sich nicht teilnahmslos im medialen Spektakel verlieren.

 

In ihren beiden Serien Divine Violence und War Primer 2 übertragen die Künstler den Brecht’schen Verfremdungseffekt auf visuelle Medien – genauer gesagt: auf heutige Arbeitsweisen der Dokumentarfotografie. Im Theater ergibt sich dieser Effekt, wenn die Handlung unterbrochen wird, indem einzelne Figuren aus ihren Rollen treten, um das Geschehen direkt mit dem Publikum zu besprechen. In den Arbeiten von Adam Broomberg & Oliver Chanarin ist es das Bild, das verstörend wirkt und dadurch den Betrachter vom Inhalt entfremdet, wodurch es zugleich eine neue Reflexionsebene schafft. Ergänzt wird die Ausstellung um eine Auswahl von Originalblättern aus Brechts Kriegsfibel der 1950er-Jahre.

Die von Ann-Christin Bertrand kuratierte Ausstellung umfasst rund 100 Bilder und wird anlässlich des 7. European Month of Photography gezeigt. Zeitgleich erscheint auch Adam Broomberg & Oliver Chanarins neues Buch Humans and Other Animals, das der Kehrer Verlag in deutscher Übersetzung unter dem Titel Menschen und andere Tiere herausbringt.

Adam Broomberg wurde 1970 in Johannesburg geboren und ging nach London, um dem Militärdienst zu entgehen. Oliver Chanarin wurde 1971 in London geboren. Die beiden Künstler lernten sich in den 1990er-Jahren in Südafrika kennen. Sie arbeiteten zunächst als Fotografen und Creative Editors für die Zeitschrift Colors, bevor sie in London ihr eigenes Studio gründeten. Gemeinsam haben sie bislang 13 Monografien veröffentlicht, darunter Holy Bible, Spirit is a Bone und War Primer 2. Sie sind als Professoren für Fotografie an der HFBK in Hamburg tätig und lehren an der KABK in Den Haag. 2013 erhielten sie den Deutsche Börse Photography Prize und 2014 den Infinity Award vom International Center of Photography. Ihre Arbeiten sind weltweit ausgestellt worden und befinden sich in bedeutenden öffentlichen wie privaten Sammlungen, darunter Tate Modern, Museum of Modern Art, Victoria & Albert Museum, International Center of Photography, Musée de l’Elysée und Stedelijk Museum.