Adam Jeppesen . Out of Camp
Allein vom Nordpol bis in die Antarktis in 487 Tagen – eine Reise in absoluter Einsamkeit. Jenseits der traditionellen Erfahrung von Raum und Zeit. Die Kamera immer dabei, um raue Landschaften und verlassene Weiten zu dokumentieren. Die Fotos dienen als Rückversicherung für bestimmte Augenblicke, die jedoch wie die rätselhafte Darstellung einer verzerrten Realität erscheinen. Habe ich das wirklich so erlebt? Und wie kann ich diese existenzielle Erfahrung vermitteln? Adam Jeppesen rekonstruiert sein Abenteuer in den aktuellen Serien nicht unbedingt über den Inhalt der Fotografien, sondern vielmehr über deren Präsentation.
Die Oberflächen der Negative bekamen auf der Reise Kratzer, Flecken und Ablagerungen von Staub – konkrete Spuren der Expedition. Spuren, die Adam Jeppesen bewusst beibehält und weiterentwickelt. Durch unterschiedliche Bearbeitungen löst er die Fotografie aus ihrer gewohnten Zweidimensionalität. Teils faltet er die auf Reispapier gedruckten Landschafsmotive in regelmäßigen Abständen, teils zerlegt er sie in handliche Formate, kopiert diese und fügt sie schließlich mittels feiner Nadeln wieder zum Ausgangsmotiv zusammen. So legt sich ein filigranes Netz aus DIN A4 großen Sequenzen über die Bilder – ein zartes Gerüst, an dessen kaum sichtbaren Linien sich der Blick orientieren kann. Statt der Weite der fotografischen Fläche, öffnet sich das Bild detailreich in die Tiefe. So vermittelt er die physische Erfahrung seiner Reise durch fremdes Territorium. Das (Zer-)Gliedern und Integrieren des Unperfekten erweitert seine Prints um einen performativen, skulpturalen Aspekt – Fotografie ist hier mehr Objekt denn flacher Abzug. Zudem experimentiert Adam Jeppesen mit Druckprozessen des Mediums Fotografie. Er wandelt die unter anderem traditionelle Technik der Photogravure dahingehend ab, dass der Druckstock nicht jedes Mal vor Drucklegung, sondern nur zu Beginn ein einziges Mal mit Farbe bestrichen wird – geisterhaft verschwinden die Motive von Blatt zu Blatt. Am Ende bleibt nur die weiße Fläche übrig.
Bei all diesen Bearbeitungen geht es Adam Jeppesen um den ästhetischen Wert des Imperfekten, die Suche nach der Balance zwischen dem Puren, Perfekten, und dem beschädigten Anteil darin – jene physischen Spuren und Abdrücke also, die so leicht hinterlassen und so wenig kontrolliert werden können. Das Studio ist in diesem Prozess ebenso wichtig wie die Reise selbst. Denn erst die hier nachträglich stattfindenden künstlerischen Eingriffe in Druckablauf, Material und Art der Präsentation machen aus den Fotografien Kunstobjekte, die nicht von diesem besonderen Herstellungsverfahren isoliert gesehen werden können. Fotografie als physischer Prozess – das reproduzierbare Medium wird zum künstlerischen Objekt und Unikat.
Erstmals in Deutschland präsentiert C/O Berlin eine umfassende Ausstellung von Adam Jeppesen. Die Ausstellung umfasst ca. 70 Werke aus den Serien „Folded“, „XCopy“, „Scatter“ und „Ghosts“. Sie wurde von Ann-Christin Bertrand kuratiert.
Adam Jeppesen, geboren 1978 in Kalundborg, Dänemark, wurde international erstmals wahrgenommen durch seine Serie „Wake“, die 2008 bei Steidl als Buch erschien. Jeppesen wurde außerdem 2009 für den Deutsche Börse Photography Prize sowie für den KLM Paul Huf Award nominiert. Seine Arbeiten wurden weltweit ausgestellt und sind unter anderem in der Collection des Denver Art Museum, USA, der Danish Arts Foundation, dem National Public Art Council, Schweden, dem National Museum of Photography, Dänemark, sowie in zahlreichen Privatsammlungen vertreten. Adam Jeppesen lebt und arbeitet in Buenos Aires, Argentinien.
Mit der Ausstellungsreihe Thinking about Photography schafft C/O Berlin ein für Berlin vollkommen neues Format und legt bewusst den Fokus auf aktuelle Tendenzen der zeitgenössischen Fotografie. Seit jeher war die Fotografie ein stark durch technische Entwicklungen beeinflusstes Medium, welches in der noch relativ jungen Fotografiegeschichte zu konstanter Weiterentwicklung und Veränderung des Mediums geführt hat. Seit der Digitalisierung ist die Fotografie erneut in einem Transitionsprozess begriffen, dessen Auswirkungen und Folgen erst langsam sichtbar werden und somit auf internationaler Experten- und Künstlerebene seit einigen Jahren intensiv diskutiert werden. „Thinking about Photography“ gibt zukünftig mit bis zu drei Ausstellungen pro Jahr Anlass, über neue Tendenzen und künstlerische Entwicklungen innerhalb des Mediums Fotografie zu reflektieren. Neue Produktions-, Wahrnehmungs-, und Präsentationsformen werden dabei in den Fokus gerückt, um stärker auch die Zukunft des Mediums im Blick zu haben.