Cathrin Schulz . Last Call
Rosinenbomber, Luftbrücke, eines der größten Gebäude der Welt, Sehnsucht nach Ferne mitten in der Metropole – der vor zwei Wochen stillgelegte Flughafen Berlin-Tempelhof ist ein Mythos. Er ist ein monumentaler Ort kollektiver Erinnerung, der zwischen Moderne und Fortschritt, Krieg und Zerstörung, Hoffnung und Freiheit oszilliert. So überladen Tempelhof mit Erinnerungen, Träumen und zukünftigen Plänen auch ist, das städtebauliche Ensemble wirkt ohne all seine nebulösen Legenden vor allem groß, ruhig und souverän. Diese stille Klarheit bringt Cathrin Schulz mit ihrer fotografischen Serie beeindruckend zum Vorschein. Mit einer formalen Reduktion und farblichen Akzentuierung schafft sie einen Freiraum für einen unverstellten Blick auf diese Ikone eines Flughafens.
Der Bau wurde 1935 von Ernst Sagebiel entworfen, von den Nationalsozialisten begonnen und Anfang der 1960er Jahre von den Amerikanern fertiggestellt. Er hat zweifelslos die ästhetische Qualität eines NS-Gebäudes, jedoch gebrochen von amerikanischen Einflüssen der 1950er Jahre. Cathrin Schulz stellt in ihren Fotografien die Ästhetik des Motivs in den Vordergrund. So fängt sie aus ungewöhnlichen Perspektiven sachlich einzelne Bestandteile Tempelhofs ein – vom Rhythmus der Fensteröffnungen, Pfeiler und Deckenbalken über Luftschutzkeller bis zur Bowlingbahn. Ihre reduzierte visuelle Sprache, das gewählte Motiv und der präzise Bildauschnitt verdichten einen bestimmten Moment in seiner ihm eignenen Authentizität. Diese Klarheit wird zusätzlich durch digitale Bearbeitung betont. Mit dem Ausreizen von Kontrasten, Farbe und Sättigung hebt Schulz einzelne Details und Strukturen plastisch hervor, die sonst dem Auge entgingen. Mit der Sachlichkeit, Verzerrungsfreiheit und Menschenleere ihrer Arbeiten steht die Fotografin in der Tradition der Becher-Schule. Die zurückgenommene, gedämpfte Farbgebung bewirkt einen Eindruck von Stillstand und Zeitlosigkeit – eine Projektionsfläche für Erinnerungen und Emotionen.
C/O Berlin präsentiert erstmals die Fotografien von Cathrin Schulz. Die Ausstellung im Foyer des Postfuhramts umfasst 15 Bilder der Serie „Berlin-Tempelhof”.
Cathrin Schulz
1971 in Wiesbaden geboren, ist früh durch ihre Familie an die Medien Fotografie und Film herangeführt worden. Nach ihrem Studium für Wirtschaftsgeschichte in Zürich und Boston wendet sich die Autodidaktin 1997 verstärkt der Fotografie zu und arbeitet seit 2002 als freie Fotografin. Neben privaten Auftragsarbeiten und künstlerischen Projekten beginnt sie 2007, die Hauptstadt zu porträtieren. Teil dieser Serie ist der Bilderzyklus zum Flughafen Tempelhof.