Distanz und Begehren: Begegnungen mit dem afrikanischen Archiv
Stammeshäuptlinge und -könige, Familienporträts, archaische Szenen in der freien Natur und idealisierte Krieger – Klischees und Stereotype, von westlichen Vorstellungen getragene Darstellungen eines exotischen Afrikas. Der neugierige Blick auf den afrikanischen Kontinent wurde mit dem Aufkommen der Fotografie im 19. Jahrhundert auch einem Publikum fern der Kolonien ermöglicht. Distance and Desire: Encounters with the African Archive versammelt Vintage-Porträts und Figurenstudien, historische Alben und Bücher sowie Postkarten und Cartes de Visite, die im südlichen Afrika in den 1870er Jahren bis ins frühe 20. Jahrhundert entstanden sind. Außergewöhnlich in ihrer Vielfalt und Gestaltung, offenbaren diese Bilder sowohl die vorherrschenden ideologischen Rahmenbedingungen im südlichen Afrika der Kolonialzeit als auch die herausragenden Fähigkeiten der frühen Fotografen dieser Region.
Im Dialog mit Foto- und Videoarbeiten zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler – darunter Candice Breitz, Santu Mofokeng, Zanele Muholi und Samuel Fosso – ergeben sich neue Perspektiven auf das historische Archiv afrikanischer Fotografien, dessen poetische und politische Dimensionen, seine mannigfaltigen Geschichten und sich wandelnden Bedeutungen. Auf kritische Weise thematisiert die Ausstellung die Politiken des Kolonialismus und die komplexen Fragen von Gender, Rasse und Identität, die sich in diesen frühen Fotografien niederschlagen.
Distance and Desire: Encounters with the African Archive präsentiert das afrikanische Archiv – im breiten Sinn verstanden als Ansammlung von Repräsentationen, Bildern und Objekten – gleichzeitig als Ausgangspunkt für zeitgenössische kreative und politische Auseinandersetzung. Dabei bildet die grundsätzliche Wandelbarkeit von Bedeutung einen Kernpunkt der Untersuchung. Ausgehend von den außergewöhnlichen Sammlungsbeständen der Walther Collection an historischer afrikanischer Fotografie zeigt die Ausstellung, wie Bilder von Afrikanern durch deren Entstehungs- und Verbreitungskontexte bestimmt werden. Was in einem Fall als ausgrenzendes Stereotyp oder erniedrigende Typisierung fungiert – der idealisierte Krieger, der edle Wilde, die scheue Schöne – kann in einem anderen Fall das Material für eine ikonoklastische Überarbeitung liefern. Was in einer bestimmten Zeit als ethnographische Studie oder Mittel erzwungener Kontrolle verstanden wird, kann zu einer anderen Zeit den Grundstein für eine melancholische Re-Inszenierung oder eine satirische Performance bilden.
> Video und Interviews zur Ausstellung
Aufbauend auf einer Auswahl von Bildern und Werkgruppen aus der Walther Collection richtet Distance and Desire: Encounters with the African Archive die Aufmerksamkeit auf die bildnerischen Strategien der Fotografen und die Kontexte, in denen die Bilder damals zirkulierten und heute gesehen werden. Das Zusammenbringen historischer Bilder mit zeitgenössischen Foto- und Videoarbeiten, die sich mit den Konventionen, Posen, Geisteshaltungen sowie der Form- und Bildsprache der Vergangenheit auseinandersetzen, erlaubt eine Untersuchung der Parameter, die rassifiziertes Denken stützten und die Repräsentation afrikanischer Körper beeinflusst haben. Während zeitgenössische kritische Praktiken Haltungen der Vergangenheit beleuchten, entlarvt eine genaue Untersuchung historischer Fotos die Wirkung dieses Archivs auf die zeitgenössische visuelle Kultur Afrikas.
The Walther Collection konzentriert sich auf das Erforschen, Sammeln, Ausstellen und Publizieren moderner und zeitgenössischer Fotografie und Videokunst. Die Sammlung betreibt Ausstellungsstandorte in Neu-Ulm und New York und widmet sich derzeit einer mehrjährigen Untersuchung afrikanischer Fotografie und Videokunst anhand der Themen Porträt, Landschaft und historische Archive des 19. Jahrhunderts. .