Play loud
„Die Zeit zu schichten, sie anders zusammenzusetzen, als wir es gewohnt sind, lässt etwas Neues entstehen... Ich möchte diese Zwischenräume festhalten.“
Karolin Back
Berge, Wolken und Meer – diese Motive haben wir schon tausendfach auf Postkarten, in Fotoalben oder im Internet gesehen. Gerade deshalb verwendet Karolin Back genau diese Motive als Ausgangsmaterial ihrer Arbeiten. Durch anschließendes genaues Studieren, Sezieren und neu Zusammensetzen schafft sie Bilder, die kaum mehr etwas von ihrem ursprünglichen Wirklichkeitsbezug erkennen lassen. Stattdessen bieten sie vollkommen neue Projektionsflächen, die bewusst Irritation erzeugen und den Betrachter auf sich selbst zurückwerfen, damit gewohnte Wahrnehmungsmuster hinterfragt und spielerisch durchbrochen werden können.
In der Installation Was ist eine Sekunde, wenn neben ihr die Welt steht? beschäftigt Karolin Back sich mit der Spannung zwischen dem fixierten Moment und dem Vergehen der Zeit. Ausgangspunkt bildet eine Abbildung des Matterhorns, dem wohl bekanntesten Gipfel der Alpen. Jedoch geht es nicht um das Matterhorn selbst oder die Dokumentation der Reise dorthin, sondern vielmehr um die Darstellung von Zeit. Durch Überlagerung von Fotografie und Video schichtet die Künstlerin verschiedene Zeitebenen übereinander – die Fotografie friert den Moment ein und bildet damit den Gegenpol zum Verlauf der Zeit im Film. Genau in der Verbindung dieser beiden Komponenten von Stillstand und Veränderung schafft die Künstlerin damit ein neues Bild, welches das zeitliche 'Dazwischen' thematisiert und gewohnte Darstellungsstrukturen analysiert und demontiert.
Während die Installation des Matterhorns durch die Überlagerung von bewegtem und unbewegtem Bild das Motiv des Berges noch erahnen lässt, können wir den Ursprung des Bildgegenstandes in der Serie Shut up and play kaum mehr zurückverfolgen. In mehrschichtigen Arbeitsprozessen faltet, schreddert, zerknüllt oder zerreißt die Künstlerin das fotografische Ausgangsmaterial, fotografiert es erneut ab, druckt das dadurch entstandene Motiv erneut aus – und beginnt den gesamten Prozess wieder von vorne. Auf diese Weise entstehen fotografische Objekte, die anschließend zurück in die Fläche gebracht werden und damit Bilder schaffen, die skulptural und räumlich, aber dennoch nur auf der zweidimensionalen Bildfläche visuell greifbar sind. So operiert die Künstlerin zwischen Fotografie und Wirklichkeit, Abstraktion und konkretem Gegenstand.
C/O Berlin präsentiert mit Karolin Back eine Künstlerin, die im Rahmen der Themenstellung Extended Photography über die Erweiterung des Mediums reflektiert und auf einzigartige Weise über die fotografische Wirklichkeit hinaus die zeitliche Wahrnehmung und mediale Vermittlung beleuchtet.
Karolin Back
geboren 1980, lebt und arbeitet in Stuttgart. Sie studierte bis 2013 Kunst an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main. Davor arbeitete sie als freie Fotografin und Fotoassistentin in Hamburg, absolvierte eine Tischlerlehre und einen Werkstudiengang zur Gestalterin im Handwerk. Sie erhielt mehrere Stipendien und Preise, unter anderem gute aussichten. junge deutsche fotografie (2014/15) und den Deutsche Börse und HfG Fotoförderpreis (2012). Seit 2008 waren die Arbeiten von Karolin Back in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen unter anderem in Frankfurt, Hamburg, Berlin, New York, Mexiko City, Nicosia und Tallinn zu sehen.
Svenja Paulsen
geboren 1988, lebt in London und Berlin. Sie studierte Sozialwissenschaften und Medienkulturanalyse in Berlin und Düsseldorf und absolvierte eine Ausbildung zur Bildredakteurin an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin. Derzeit ist sie als Stipendiatin im Programm „Museumskuratoren für Fotografie“ der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung am Victoria and Albert Museum in London tätig.