Total Records
“I do a lot of curiosity buying. I buy it if I like the album cover, I buy it if I like the name of the band, anything that sparks my imagination.” Bruce Springsteen
Vier Männer auf einem Zebrastreifen, ein asiatischer Mönch in Flammen, ein hinter einer One-Dollar-Note schwimmendes Baby, eine Skinny-Jeans mit Reißverschluss, eine gelbe Banane im Siebdruck, eine brennende Person beim Handschlag – diese Fotografien haben Generationen von Musikfans zutiefst geprägt. Was wäre nur das Musikalbum ohne Cover? Lediglich eine schwarze, austauschbare Vinylscheibe. Erst das Erscheinungsbild auf der Schutzhülle visualisiert kongenial Musik und Künstler. Es transportiert zugleich Identität und Style, gibt Freiraum für Identifikation und fungiert als banales Instrument der Werbung. Der Wert einer Schallplatte ist vielfach mindestens ebenso stark an das Coverbild geknüpft wie an die musikalische Aufnahme.
Von jeher ist das Medium Fotografie wichtiges Element bei der Gestaltung von Alben. In diesem kreativen Zusammenspiel sind so Vinylplatte und analoge Fotografie zu medialen Sinnbildern des 20. Jahrhunderts geworden. Kein Wunder, dass oft weltweit renommierte Fotografen und Künstler die optische Komponente eines Albums gestalten, die zu Ikonen des Pop werden und sich fest in das kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. Mit der Digitalisierung atomisiert sich jedoch das Format zunehmend – mit jedem einzelnen Download sowie durch Online-Streaming verliert das quadratische Coverfoto als Gesamtkunstwerk rasant an Bedeutung.
Anhand visueller Klassiker sowie unbekannter Cover zeichnet die Ausstellung „Total Records“ die Musik- und Fotogeschichte des 20. Jahrhunderts auf einzigartige Art nach – mit zum Teil überraschenden, künstlerischen Zusammenarbeiten zwischen Robert Frank und The Rolling Stones, Bernd & Hilla Becher und Kraftwerk, Helmut Newton und INXS, Herb Ritts und Madonna, Annie Leibovitz und Cindy Lauper, Nobuyoshi Araki und Björk, Jeff Wall und Iggy Pop, Anton Corbijn und U2, William Klein und Serge Gainsbourg, Weegee und George Michael, Jean-Paul Goude und Grace Jones, Irving Penn und Miles Davis, Ryan McGinley und Sigur Ros. Als Experimentierfläche für fotografische Techniken und künstlerische Strömungen hinterließen auch bildende Künstler wie Andy Warhol, Robert Rauschenberg, Dieter Roth ihre Spuren auf Vinyl.
Die Ausstellung ist in thematische Kapitel unterteilt, die verschiedene Aspekte dieser speziellen Kunstform zwischen Musik und Fotografie beleuchten. So werden Schnittstellen und Begegnungen aufgezeigt, durch die erst Musik und Konzept eines Albums in originale und originelle visuelle Kreationen übersetzt wurden. Viele Cover waren gar keine Auftragsarbeiten, sondern die Musiker selbst durchstöberten auf der Suche nach dem treffenden Motive die gesamte Bildgeschichte. Interessant ist auch, dass oft ikonische Albumbilder selbst gecovert werden und so durch bewusste visuelle Referenzen und humoristische Zitate künstlerische Verbindungen aufgezeigt werden. Zu nackt, zu brutal, zu provokant – immer wieder suchten Musiker über Bilder Skandale und kamen durch Zensur in die Schlagzeilen. Gleichzeitig dienten Schallplattencover immer auch dazu, einen bestimmten politischen Standpunkt zu vertreten: So wird das Album zu einem wichtigen Propagandainstrument, beispielsweise gegen den spanischen Bürgerkrieg beziehungsweise für den palästinensischen Widerstand und die kubanische Revolution. Bei Genres wie etwa Jazz steht nicht die Schaffung von Images einzelner Künstler, sondern oft die Strahlkraft des jeweiligen Labels als Ganzes oder eine spezielle Serie von Releases im Vordergrund.
C/O Berlin präsentiert zum ersten Mal in Deutschland die Ausstellung mit ca. 500 Exponaten, die das vielseitige Zusammenspiel zwischen Fotografie und Musik von den 1960er- bis in die 2000er-Jahre aufzeigt. Diese visuelle Kompilation wurde von Antoine de Beaupré, Serge Vincendet und Sam Stourdzé kuratiert.