In unserer Zeit
Die Orte scheinen bekannt, die Menschen vertraut, die Situationen alltäglich. Normalität ist abgebildet; so normal, dass sie beunruhigt. Wo und wann sind die Fotografien entstanden? Wer sind die abgebildeten Menschen? Auf welche Weise sind die Bilder inhaltlich verbunden? Mit der Suche nach erklärenden Details lässt sich in den Fotografien von Anne Lass jedoch weder Bedeutung und Identität noch Relation und Geschichte präzisieren oder dechiffrieren. Es sind Abbildungen entindividualisierter Menschen an Orten ohne Historie – Dokumente der Orientierungslosigkeit und Austauschbarkeit.
Dieses gekonnte Spiel mit dem Fehlen von Referenzen und der Anonymität macht die Fotografien von Anne Lass so faszinierend. Geographisch-spezifische Plätze spielen innerhalb der Fotoserie eine untergeordnete Rolle, der tatsächliche Entstehungsort verliert an Bedeutung. Ebenso dessen Protagonisten, die weder auf eine eindeutige Altersgruppe, noch auf ein bestimmtes Milieu oder Land verweisen. Stattdessen werden beim Betrachter die Bilder seines eigenen visuellen Gedächnisses geweckt. Es findet eine Überlagerung und Verschmelzung der Fotografien mit der eigenen Realität, Vorstellung und eigenen Erlebnissen statt. Das konkrete Bild fungiert als Prothese, als Stütze für unsere Erinnerung. Selbst die präzisen Ortszuschreibungen können den Prozess der freien Assoziation nicht aufhalten.