Willi Ruge
Autorennen auf der AVUS, Landung im Hochgebirge, Spartakus-Aufstand, Unruhen in Oberschlesien, Selbstporträt im freien Fall – mit seiner Begeisterung für Sport, Luft- und Rennfahrt entspricht Willi Ruge (1892–1961) dem idealen Protagonisten der Ära optischer Sensationen und Geschwindigkeit. Er sucht das Abenteuer, reist nach Europa, Afrika und Südamerika. Sei es als Kriegsberichterstatter oder Werbefilmer – Willi Ruge ist Teil gesellschaftlicher Umbrüche und von den technischen Möglichkeiten der Moderne Anfang des 20. Jahrhunderts fasziniert. In seinen bekanntesten Fotostrecken zeigt er sich selbst in spektakulären Aktionen, wobei extreme Aufsichten, schwindelerregende Untersichten, Schrägsichten, gekippter Horizont, enorme Nahaufnahmen und außergewöhnliche Perspektiven auf das Geschehen die Errungenschaften des Neuen Sehens erkennen lassen.
Die sachlich-objektive Darstellung ersetzt er durch subjektive Erfahrungen und entwickelt mit dieser Haltung die Rolle und das Selbstverständnis des Bildjournalisten neu. Mit seiner Agentur Fotoaktuell liefert Ruge dem expandierenden deutschen Zeitungsmarkt in den 1920er- bis 1930er-Jahre reichlich Bildmaterial zu den zeitaktuellen sozialen, politischen und wissenschaftlichen Themen. Diese weltweit erste Retrospektive mit etwa 140 Vintage-Fotografien wurde von Ute Eskildsen recherchiert und gemeinsam mit Felix Hoffmann kuratiert. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Steidl Verlag.
Willi Ruge
geboren 1892 in Berlin, begann nach Abschluss der Realschule als 15-Jähriger eine Optikerlehre und wechselte anschließend ins Fotografenhandwerk. Zeitgleich wurde seine Leidenschaft zum Flugzeugbau geweckt. Anfang der 1910er-Jahre machte er sich unter dem Firmennamen Presse Verlag Photoaktuell selbstständig. In den drauffolgenden Jahren veränderte er mehrmals das Logo, den Namen und die Schreibweisen seiner Agentur, sodass sie in den 1920er- und 1930er-Jahren unter anderem auch als Presse-Illustrations-Verlag und Presseverlag Fotoaktuell GmbH bekannt war. Von 1914 bis 1918 nahm er am Ersten Weltkrieg als Fliegerschütze und Berichterstatter an West- und Ostfront teil. In der Weimarer Republik fotografierte er die Unruhen in Oberschlesien, den Spartakus Aufstand in Berlin sowie die französische Besetzung des Ruhrgebiets. 1921 gründete Willi Ruge eine Filmgesellschaft und erstellte Werbefilme für die deutsche Luftfahrtindustrie. Seine Bilder wurden national und international publiziert – mit der Reportage Ich fotografiere mich beim Absturz mit dem Fallschirm (1931) erlangte er weltweite Beachtung. In den 1930er-Jahren unternahm er für die Berliner Illustrirte Zeitung Reisen nach Südamerika und Afrika. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er als „Bildberichter im Sonderrang“ in Polen, Norwegen, Frankreich und Afrika eingesetzt. 1946 erhielt Willi Ruge eine „Certification“ von der amerikanischen Militärregierung, um für die Deutsche Allgemeine Nachrichtenagentur (DANA) zu fotografieren. Im Nachkriegsdeutschland arbeitete er für Zeitschriften wie Weltbild und Quick. 1953 zog er nach Offenburg, um für den Verleger Franz Burda als flugtechnischer Berater zu arbeiten. Will Ruge starb 1961 in Offenburg.