William Klein
“Get close and personal”
Eric Kim from: 10 Lessons William Klein Has Taught Me About Street Photography
Kompromisslos, risikobereit und abseits gängiger Konventionen – der Fotograf und Filmemacher William Klein ist seinem unverwechselbaren Weg mehr als 60 Jahre treu geblieben. Seit der Amerikaner 1948 nach Paris kam, sucht er das Experiment, hat verschiedene künstlerische Genres – Malerei, Fotografie und Film – ausprobiert, immer erfüllt von großer Neugier und Lebensenergie. Er fotografiert Menschen und Mode auf der Straße, beschäftigt sich mit aktuellen sozialen Themen und beobachtet schon früh den Einfluss der Massenmedien und ihre Auswirkungen auf eine konsumorientiere Gesellschaft. Sein Stil ist direkt, mit starken Kontrasten und verschwommenen Konturen und steht damit in völligem Gegensatz zu der technisch perfekten, ästhetisch ausgerichteten Fotografie der 1950er-Jahre. Gleichzeitig entwickelt der „Anti-Fotograf“ ein Gespür für die Einflussmöglichkeiten, die seine künstlerische Arbeit ihm gibt. Sowohl in seiner Street Photography als auch in seinen späteren Filmen setzt Klein sich für die Rechte der Afroamerikaner ein und porträtiert Persönlichkeiten wie Muhammad Ali, Little Richard und Eldridge Cleaver.
William Kleins berühmteste und zugleich einflussreichste Arbeit ist das Fotobuch „New York 1954–1955“, für das er Mitte der 1950er-Jahre in seine Heimatstadt zurückkehrt. Er will die Stadt radikal neu erfassen – subjektiv, intuitiv und mit unerwarteten Perspektiven. Schließlich porträtiert er die boomende Metropole, die Stadt von Coca Cola, großen Autos und blinkenden Reklametafeln als einen dunklen, rauen und bedrückenden Ort. So ist der Titel des New York-Buches, das 1956 publiziert wird, eher eine ambivalente Empfehlung: Life is Good and Good for You is New York: Trance Witness Revels. Klein verstärkte diese Eindrücke wenige Jahre später – diesmal mit dem Medium Film: Broadway by Light (1958) gleicht einer schwindelerregenden Collage aus abstrakten Formen und Figuren, gebildet aus pulsierenden Neonlichtern und tanzenden Leuchtbuchstaben.
Auch als Modefotograf arbeitet Klein stets am Rande formaler und konventionell vorgegebener Beschränkungen. Der Autodidakt testet neue Bildsprachen und kehrt die Verhältnisse des fotografischen Prozesses kreativ um. Für Klein ist das Medium Fotografie ein Experimentierfeld, in dem er sich frei fühlt. Wie Malereien auf Leinwand gestaltet er lichtempfindliche Oberflächen von Fotopapier als Fotogramme. Er fängt dazu das Licht mit der Kamera fotografisch ein oder fotografiert gleichzeitig in Langzeitbelichtungen den Lichtstrahl einer Taschenlampe und ein Modebild.
Als er die Modefotografie 1965 hinter sich lässt, sagt er nicht ohne Stolz, dass seine Fotos sicher die mit Abstand unpopulärsten seien, die jemals in der Vogue veröffentlicht wurden. Seine Filme Qui êtes-vous, Polly Maggoo? (1966) und später Mode in France (1984) sind satirische Kommentare auf die Modewelt. Viele seiner Filme beschäftigen sich mit Machtstrukturen und sind von der Hoffnung geleitet, dass am Ende diejenigen gewinnen, die in der Minderheit sind oder gegen das Establishment aufbegehren. Sowohl seine Fotografien als auch seine Filme sind von dem Wunsch geprägt, die Menschen einzeln und in der Gesellschaft, in der sie leben, zu dokumentieren und zu reflektieren.
Nach vielen Jahren widmet C/O Berlin dem 89-jährigen Künstler nun erstmals und als einziger Ort in Deutschland eine umfangreiche Retrospektive. Nicht allein der Blick auf die Städte New York, Moskau, Rom oder Tokio steht dabei im Vordergrund, sondern William Klein als Transformer zwischen den Medien Fotografie und Film. C/O Berlin setzt damit die Auseinandersetzung mit diesen Medien kontinuierlich fort, die bereits das Schaffen von Künstlern wie Martin Parr, Robert Frank oder Gordon Parks beleuchtet hat. Die Interaktion, mediale Transformation und Weiterentwicklung stehen dabei im Fokus. Die Ausstellung umfasst rund 300 Exponate – große Tableaus, Vintageprints, Kontaktbögen, Bücher und Magazine und Filme. Sie setzt sein fotografisches und filmisches Werk in Bezug, das in den vergangenen 60 Jahren entstanden ist. Mit seinem einzigartigen Stil ist Klein längst Vorbild und eine Inspirationsquelle für viele junge Fotografen und Filmemacher.
William Klein
wird 1928 in New York als Sohn immigrierter ungarischer Juden geboren. Nach einem Studium der Soziologie und dem Militärdienst reist er 1947 als GI nach Europa und macht Paris zu seinen Lebensmittelpunkt. Er beginnt eine Lehre im Atelier von Fernand Léger und stellt Anfang der 1950er-Jahre erstmals abstrakte geometrische Gemälde aus. Gleichzeitig beginnt er, sich für Fotografie und Film zu interessieren. Er führt ein fotografisches Tagebuch und arbeitet mit Federico Fellini, Pier Paolo Pasolini und Louis Malle an Filmprojekten. Bis 1965 ist er als Modefotograf für die Vogue tätig. Die Titel seiner Fotobücher wie New York 1956, Rom, 1959, Moskau, 1964, In & Out of Fashion, 1994, Close Up, 1989, Paris + Klein, 2002, sind zu festen Bestandteilen der Nachkriegsgeschichte der internationalen Fotografie geworden. Daneben entstehen über 20 Spiel- und Dokumentarfilme, u. a. Mr. Freedom, 1969, Muhammad Ali, the Greatest, 1964–74, die vielfach von seinem politischen Engagement und Interesse am Zeitgeschehen geprägt sind. Klein wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der französische Fotobuchpreis Prix Nadar, der International Photography Award und der Lucie Award for Lifetime Achievement.